Zürich im Jahre 2040: In der Stadt Zürich wird mit erneuerbaren Energiesystemen geheizt. Alle Öl- und Gasheizungen wurden ersetzt. Das Auto hat sich grösstenteils aus der Stadt verabschiedet. 70-80% der Haushalte in der Stadt Zürich besitzen kein Auto mehr und nutzen den öffentlichen Verkehr und das Velo. Falls doch einmal ein Auto notwendig ist, wird ein Pooling- oder ein Sharing-Angebot genutzt. Die noch verbleibenden Autos fahren batteriebetrieben, genau so wie alle öffentlichen Verkehrsmittel. Auch der hinterletzte Gabelstapler und alle Baumaschinen werden fossilfrei betrieben, die Herstellung von Baustoffen emittiert kein CO2 mehr. Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Stadt stellen auch bei erhöhtem Bedarf die Stromversorgung sicher.
Warum das (leider) nicht schon 2030 geht
Im letzten Jahr hat die Stadt Zürich den “Grundlagenbericht Netto-Null Stadt Zürich” in Auftrag gegeben. Das Fazit des wissenschaftlichen Berichts ist eindeutig und schafft eine klare Faktenlage: Netto-Null 2030 ist unter den heutigen politischen, rechtlichen und demokratischen Rahmenbedingungen und ohne Notrecht nicht möglich. Was sind die Gründe?
Erstens: Die Stadt Zürich ist sehr stark von den Massnahmen von Kanton und Bund abhängig. Da scheinen teilweise die Mehrheiten für griffigen Klimaschutz aber noch nicht vorhanden zu sein (siehe Ablehnung CO2-Gesetz im Juni 2021). Machen wir ein Beispiel: Im Bereich Verkehr können auf nationaler Ebene Emissionsvorschriften für Neuwagen gemacht oder Lenkungsabgaben festgelegt werden. Die Stadt hat hier nur wenig Handhabe. Lediglich eine mehr oder weniger sofortige Streichung sämtlicher Parkplätze oder eine begrenzte Verbotszone für fossile Antriebe könnte (theoretisch) auf städtischer Ebene durchgesetzt werden. Ob solche radikalen Einschnitte allerdings von der Mehrheit der städtischen Bevölkerung akzeptiert werden, ist fraglich.
Zweitens: Wenn in allen Gebäuden Heizungen gleichzeitig ersetzt und zudem Sanierungen gemacht werden müssen, um Netto-Null 2030 zu erreichen, gibt es schlichtweg zu wenige Handwerker. Selbst wenn das Geld für Investitionen in diesem Ausmass vorhanden wäre, es gäbe nicht genug Firmen, die diese Aufträge abwickeln könnten.
Drittens: Sozialverträglichkeit. Netto-Null 2030 würde unglaublich strenge Massnahmen bedeuten, was untere Einkommensschichten überdurchschnittlich belasten würde. Zur Zeit fehlen beispielsweise E-Autos im preisgünstigen Segment. Mit zunehmendem Angebot von E-Fahrzeugen, insbesondere Kleinfahrzeugen, werden die Preise günstiger und so für alle zugänglich. Die Stadt Zürich kann das aber nicht alleine innerhalb weniger Jahre erzwingen.
Fazit
Der von der Klimaallianz ausgehandelte Kompromiss ist der richtige Weg. Er ist gerade noch an der Grenze des machbaren, 2030 hätte beachtliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten zur Folge. Ob diese von der Bevölkerung akzeptiert werden würden, ist fraglich. Natürlich könnte man argumentieren, dass man am ambitionierten Ziel 2030 festhalten sollte, damit dann wenigstens 2040 erreicht wird. Sobald diese Taktik allerdings wichtige Schritte in Richtung mehr Klimaschutz verhindert, wird sie brandgefährlich. Junge Grüne demonstrieren beispielsweise für 2030 und drohen damit den demokratischen Konsens zu verhindern, womit wieder Jahre ungenutzt verstreichen würden. Keinesfalls dürfen nun unrealistische Ambitionen die Klimazielen bedrohen oder verzögern.
Packen wirs an. Jetzt! Und bleiben wir ambitioniert, aber realistisch.
Links und Quellen: